Dienstag, 7. Juni 2011

Drogenpolitik: Global Commission on Drug Policy empfiehlt breite Legalisierung von Drogen

oder: Über den Unsinn von Drogenprohibition


Es ist schon ein paar Tage her, da wurde das Bildungsbürgertum von einem Ruf nach der Legalisierung von Drogen schockiert. Das Schockierende war nicht etwa der Inhalt, ähnliche Aufrufe gibt es seit Jahren von Sozialverbänden, Medizinern, Aktivisten, ... sondern der Herausgeber:


Eine neunzehnköpfige, prominent besetzte, internationale Kommission, ihr gehören aktive und ehemalige Politiker, Minister, Regierungschefs, Kommissare von UN und EU, Künstler, Wissenschaftler, ... an, all die geballte Seriosität, die das Bürgerherz normalerweise höherschlagen lässt, hat nun erstmals und hochoffiziell den Mächtigen der Welt (uns, bzw. unseren Regierenden) das empfohlen, was jeder SozPäd-Student im 2. Semester und jeder Hinterhofstreetworker weltweit und überhaupt jede(r), der/die sich mit dem Thema Drogen und Drogenprohibition einmal eingehender beschäftigt hat, bereits weiß: 


Drogenprohibition fuktioniert nicht.


Ich erspare Euch den Wortlaut (lest selbst). Kernforderungen sind unter Anderem:

  • Ende der Kriminalisierung der Konsumenten und Kleinkriminellen
  • Regierungen sollen alternative Umgangsformen mit Drogensucht erforschen und den Süchtigen und Hilfesuchenden Hilfe angedeihen lassen
  • De-Kriminalsierung aller Drogen, um Finanzströme der organisierten Kriminalität auszutrocknen, nicht nur in Mexiko und Südamerika
  • Stärkung der Aufklärung und Prävention
  • Entideologisierung der politschen Debatte

Da soviel unromantisches, unideologisches und pragmatisches Wortwerk dem Blutdruck und Weltbild des Staatsbürgers auf keinen Fall zugemutet werden kann, war diese Meldung, und da ist man sich multilateral einig, im Qualitätsmedienwald eher spärlich vertreten. Die einzigen Deutschen Zeitungen, denen das Thema mehr als eine Tickermeldung wert war (und die ich finden konnte), sind, wenig überraschend, die taz und, das überrascht schon stärker, die Financial Times Deutschland, mit einem erstaunlich progressiv anmutenden Leitartikel


Auch im vielbeachteten Webzwonull... tschuldigung: Bereich Soschäll Miedia ist die Resonanz eher dünnlich. 


Gern hätte ich nun auf Kommentarschlachten in Dutzenden von Qualitätsmedien verwiesen, wo, wie so oft zuvor, progressives Gedankengut auf bürgerliche Befindlichkeit trifft. Da, wie angesprochen, eine Debatte bei SPON, Sueddeutsche, FAZ, tagesschau & Co. aber nicht stattfindet, soll das Blog von RA Hoenig als Beispiel dafür dienen, wie sich die Drogendebatte normalerweise entfaltet. 


Die geneigte Leserschaft nehme bite meine Versicherung zur Kenntnis, dass ich so einen Diskursverlauf schon etliche Male, an etlichen Stellen On- und Offline erlebt habe. 


Schritt 1: Jemand fordert die Legalisierung von Drogen, Autor berichtet darüber.
Schritt 2: Ein, zwei Befürworter melden sich, findet dit jut.
Schritt 3: Eintritt des bürgerlichen Mobs
Schritt 4: Es wird abenteuerlich


Fleißig und unbekümmert werden Erzeuger, Groß- und Kleinverteiler, Beschaffungskriminalität, Süchtige, usw. in einen Topf geschmissen - freilich ohne zu differenzieren. Ursache und Wirkung werden munter miteinander vertauscht. Es wird vor Legionen zugedröhnter Taugenichtse im Teenager- und Jungerwachsenenalter gewarnt. Der Zusammenbruch unserer Gesellschaft wäre immanent, würde Karl der Kokser seinen Stuff nicht mehr im Stadtpark sondern in der Apotheke kaufen. 


Und dieser Zustand, dieser unumstößliche, von Ignoranz, Vorverurteilung und Nichtnachdenken geprägte, immer, wirklich immer wieder heraufziehende Verlauf eines gepflegten Diskurses über Drogenpolitik hat mich dazu veranlasst, folgendes, und damit soll diese kleine Polemik dann auch beendet sein, Statement in den Äther zu formulieren:


Was ich immer beeindruckend finde, ist die Selbstverständlichkeit, mit der Bataillone zugedröhnter Teenager und junger Erwachsener ins Bild geschoben werden, wann immer irgendwo eine Diskussion über die Legalisierung von Drogen angeschoben wird.

Fakt ist doch: Prohibition und Strafandrohung funktionieren nicht.
Wer kiffen will, kifft.
Wer koksen will, kokst.
Wer fixen will, fixt.
etc.
Das Zeug ist in jeder Großstadt überall zu haben. Das war schon immer so und wird immer so bleiben.
Die Einzigen, die von der aktuellen Regelung profitieren, sind die Hersteller und Großverteiler, die das Zeug unter dubiosen Bedingungen herstellen, verschiffen, in Hinterhofküchen strecken, usw.
Wir belasten unser Staatswesen (und damit jede(n) Einzelne(n) von uns) mit einem Wust an Strafverfolgung, setzen Konsumenten einem hochkriminellen Schwarzmarktumfeld aus, lassen uns Milliarden und Abermilliarden an Steuereinnahmen durch die Lappen gehen und bekommen rein gar nichts dafür, außer benutzter Spritzen auf dem Spielplatz, Sekundärkriminalität aus dem Beschaffungsumfeld und ein paar Millionen Toter in den Drogenkriegen von Mexiko, Afghanistan, Kolumbien, usw.
Ich möchte die Disputanten dann immer gern fragen: Hättest Du gekifft/geschnieft/gespritzt, wenn das Zeug legal erhältlich gewesen wäre?
Und ich bin mir ziemlich sicher, dass die überwiegende Anzahl der Gefragten diese Frage mit ‘Nein’ beantworten würde. Denn jeder Mensch, der ein paar Meter geradeausdenken kann und seine Bildung nicht bei RTL2 erworben hat, weiß, dass psychoaktives Zeug gefährlich ist bzw. sein kann.
Wie genau eine legalisierte Drogenabgabepraxis aussehen könnte, darüber kann und muss Mensch sicher diskutieren (gegen Altersnachweis in der Apotheke, über zertifizierte Drugstores, auf Rezept beim Arzt, gegen Bezugsschein nach X Stunden vorgeschriebener Belehrung, blablabla, ...).
Aber diese bigotte ‘Aus-Den-Augen-Aus-Dem-Sinn’-Mentalität der Prohibition, Kriminalisierung, Strafverfolgung,…, die Drogenkonsum einfach unter die Wahrnehmungsschwelle des Staatsbürgers schiebt, statt sich Gedanken um Ursachen und Folgen zu machen, muss endlich mal aufhören.
Ich will bewusstseinsverändernde Substanzen nicht schönreden: Es besteht die Gefahr, dass Leute drauf hängen bleiben, genau wie auf Valium, Ritalin, Morphin, Prozac, Alkohol, usw.
Aber meiner Meinung nach gehört das zum allgemeinen Lebensrisiko jedes Einzelnen dazu.
Gute Nacht.

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